Das Familiensystem, das sich gegen mich stellte, als ich unbequem wurde
Manchmal frage ich mich, ob nicht weniger die einzelnen Menschen in meinem Umfeld, sondern vielmehr die Struktur – ein System aus unausgesprochenem Schmerz, Scham und Schweigen – mehr Angst vor Veränderung hatte als vor dem Zerbrechen.
Ich war nicht das älteste Kind. Ich war nicht laut geboren. Ich fiel nicht sofort auf. Und doch: Als ich begann, Fragen zu stellen, mich innerlich zu bewegen, mich nicht mehr in gewohnte Rollen fügte, schien sich etwas gegen mich zu verschieben. Ich wurde als schwierig wahrgenommen. Als unbequem. Als die, die "Unruhe" brachte. Es fühlte sich an, als sei ich nicht einfach nur "anders" – sondern fast wie eine Zumutung.
Heute sehe ich klarer: Es hatte vermutlich wenig mit mir als Individuum zu tun – aber sehr viel mit dem, was ich in Bewegung brachte. Ich war jung, mir fehlte die Sprache, um zu benennen, was ich fühlte. Aber ich fühlte es. Ich hielt etwas nicht mehr aus, das andere sich längst zurechtgelegt hatten, um weitermachen zu können. Ich schwieg nicht mehr – selbst wenn ich noch nicht sprechen konnte.
Und vielleicht war genau das der Auslöser. Allein durch meine Haltung, meine Fragen, mein Nicht-Mitspielen stellte ich eine Ordnung in Frage, die auf Funktionieren basierte. Auf Stillhalten. Auf dem Nicht-Hinsehen.
Ich wollte nichts zerstören. Ich war kein Kind, das bewusst rebellierte. Ich war ein Kind, das anfing, authentisch zu spüren. Und genau dadurch wurde etwas sichtbar, das alle kannten – aber niemand aussprechen konnte. Nicht aus Bosheit. Sondern aus Überforderung.
So wurde ich zu etwas, das wie eine Bedrohung wirkte. Nicht, weil ich etwas Falsches tat – sondern weil ich aufhörte, mitzumachen.
Heute glaube ich: Es war nicht Angst vor mir. Es war Angst vor dem, was durch mich sichtbar werden könnte. Und das ist ein entscheidender Unterschied.
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