Die Mutterrolle, die ich nie wollte – und wie ich sie neu gestalte

30.06.2025

Es gibt Momente, da schaue ich in den Spiegel und sehe nicht mich – sondern ein Bild. Ein fremdes. Ein Bild von "Mutter", das nicht aus mir kommt. Eines, das mir übergestülpt wurde. Lautlos. Von Generationen, von Gesellschaft, von Menschen, die selbst nie gefragt wurden, wer sie eigentlich sein wollen.

Ich bin Mutter. Ja. Und ich liebe meine Kinder. Aber ich liebe sie nicht als Figur, nicht aus Pflicht. Sondern mit Haut und Seele. Und manchmal heißt das auch: mich selbst nicht verlieren.

Der Moment, in dem ich mich wiederfand

Ich erinnere mich an einen Abend. Die Kinder waren endlich im Bett, die Küche halbwegs aufgeräumt, der Körper müde. Und plötzlich kam dieser Gedanke: Ich kann nicht mehr. Nicht so.
Nicht dieses ständige Verfügbarsein. Nicht dieses "Schau, wie gut sie das alles meistert". Ich wollte nicht länger die sein, die lächelt, während sie innerlich verdunstet.

Denn ich spürte: Ich funktioniere. Aber ich bin nicht da. Nicht wirklich.

Ich war geworden, was andere brauchten – nicht was ich bin.

Die Mutterrolle, die ich kannte

Aufgewachsen bei einer Frau, die klare Vorstellungen hatte. Von Ordnung. Von Erziehung. Von "richtiger" Mutterschaft. Ihre Liebe war nicht falsch – aber sie war gebunden. An Leistung. An Gehorsam. An Kontrolle.

Ich war das Kind, das sich dem entzog. Das spürte, aber nicht sprach. Das schon früh wusste, dass es andere Wege geben muss. Aber nicht, wie sie aussehen.

Heute, als Mutter, holt mich das ein.

Denn plötzlich steht sie da – diese innere Mutter, die nicht meine ist. Die anklopft, wenn ich Nein sage. Die flüstert, wenn ich Pause brauche: "Das gehört sich nicht."
Die kritisiert, wenn ich Dinge anders mache. Die sich einmischt – mit alten Stimmen, aus altem Schmerz.

Ich will keine Mutter sein, die aufgibt, um zu bleiben

Ich habe gelernt: Ich darf widersprüchlich sein.
Ich darf Nähe wollen – und Ruhe brauchen.
Ich darf meine Kinder halten – ohne mich selbst zu verlieren.
Ich darf Fehler machen – und trotzdem genau die richtige Mutter für sie sein.

Ich bin nicht die Version, die man erwartet.
Ich bin die, die hinterfragt. Die still wird, wenn es laut wird. Die geht, wenn niemand zuhört – aber wiederkommt, weil Liebe nie perfekt, sondern wahrhaftig ist.

Wie ich meine Rolle neu schreibe

Ich stelle mir Fragen. Jeden Tag.
Welche Mutter will ich sein – nicht im Vergleich, sondern aus mir heraus?

Und ich antworte mir, manchmal leise, manchmal trotzig:
Ich will eine sein, die mitwächst.
Eine, die sagt: "Ich weiß es nicht immer – aber ich bleibe."
Eine, die sich erlaubt, müde zu sein – und trotzdem Liebe ist.
Eine, die keine Rolle spielt, sondern lebt.

Dieser Beitrag ist Teil der Wegmarke:
👩‍🍼 Mutterschaft – zwischen Liebe, Last und Lebenskraft
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