Die zweite Familie – und wieder war ich die, die nicht mitspielte
Ich dachte, ich hätte es hinter mir – dieses Gefühl, nicht dazugehören zu dürfen, nur weil ich mich nicht verbiegen wollte. Ich hatte mich ein Stück weit aus alten Strukturen gelöst. Ich war unterwegs in ein selbstbestimmteres Leben, auf dem Weg zu meiner eigenen Familie. Und doch: Es wiederholte sich. Nur subtiler. Besser getarnt. Gesellschaftlich vollkommen akzeptiert.
Ich kam in das Umfeld meines Partners. Und wieder war da ein Tisch. Wieder wurde gegessen, wie man es eben gewohnt war. Wieder spürte ich unausgesprochene Erwartungen, stille Übereinkünfte, feste Regeln. Und wieder war ich diejenige, die "nicht mitmachte".
Zunächst, weil ich kein Gekochtes wollte. Später, weil ich auf Schweinefleisch verzichtete. Eine kleine Entscheidung – aus heutiger Sicht fast banal. Und doch löste sie scheinbar etwas aus: Irritation. Reibung. Vielleicht sogar subtilen Spott.
Nicht, weil es um Fleisch ging – sondern weil ich mich dem Gewohnten entzog. Nicht einfach übernahm, was "schon immer so war".
Auch in der Erziehung unserer Kinder wollte ich neue Wege gehen. Ich wollte nicht weitergeben, was ich selbst mühsam hinter mir gelassen hatte. Ich wollte ausprobieren – und oft scheiterte ich nur daran, es klar auszudrücken. Weil ich es selbst erst entdeckte, während ich es lebte.
Rückblickend glaube ich, dass ich damals etwas in Bewegung brachte, das niemand wirklich greifen konnte. Auch nicht mein Partner. Es war wie ein feines Rissmuster im Porzellan: Man sieht es kaum – aber unter Druck springt es.
Unsere Beziehung begann zu wanken. Nicht laut, nicht dramatisch. Sondern leise. Ein schwelender Groll. Sprachlosigkeit. Ich galt als "anstrengend". Als "kompliziert".
Ich wollte nicht verletzen. Ich wollte nur ehrlich sein.
Heute leben wir noch zusammen.
Nicht, weil ich an einem alten Satz festhalte wie: "Kinder brauchen Vater und Mutter unter einem Dach."
Sondern weil ich an etwas anderes glaube:
Kinder brauchen Eltern, die bereit sind, sich selbst zu hinterfragen. Die an ihrer Sprache arbeiten. An ihrer Vergangenheit. Ihrem Schmerz. Und an der Verantwortung, die mit Beziehung einhergeht.
Wir sind nicht perfekt.
Aber wir bemühen uns um Ehrlichkeit.
Und wenn es nötig ist, beginne ich damit.
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