Ich vermisse nichts – und freu mich aufs Drama
Es gibt diesen Satz. Du kennst ihn.
Er kommt zuverlässig aus irgendeiner Ecke des Spielplatzes, der Familienfeier oder dem Bioladen:
"Du wirst es soooo vermissen, wenn sie nicht mehr klein sind."
Und jedes Mal zuckt es in mir. Ganz leicht.
Nicht vor Rührung. Sondern weil ich kurz überlege, ob ich freundlich bleibe oder einfach trocken antworte:
"Nein. Werde ich nicht. Ich war dabei."
Kleinkindzeit: Das war nicht Magie – das war Arbeit
Versteh mich nicht falsch.
Ich habe meine Kinder geliebt, getragen, begleitet, gespiegelt. Ich habe sie ernst genommen, Entscheidungen erklärt, Zahnpasta gemeinsam ausgesucht, statt Machtkämpfe zu inszenieren.
Ich habe keine Trotzanfälle "ausgesessen", weil es schlicht keine gab.
Es war keine Phase – es war Beziehung.
Aber eine, die Arbeit war.
Bindungsorientierte Erziehung klingt für viele nach Wattebausch. Für mich war's eher:
Zuhören statt dominieren. Halten statt schreien. Und das 12 Stunden am Tag.
Manchmal auch nachts.
Und irgendwann, so gegen 23 Uhr, lag ich da mit leerem Nervensystem – und dem Gefühl: Niemand hat heute mein Glas Wasser aufgefüllt.
Ich war keine Helikoptermutter – ich war einfach wach
Meine Kinder durften am Wasser spielen. An der Straße laufen. Sie wussten: Ich bin da. Und sie wussten auch: Ich vertraue ihnen.
Nicht, weil ich so entspannt erscheinen wollte – sondern weil wir uns ein Band gebaut haben. Aus Blicken. Aus Klarheit. Aus echten Grenzen.
Ich hab mich nie als Übermutter empfunden – ich hab oft nur daneben gestanden, wenn andere versuchten, jede Pfütze zu kontrollieren, und dachte:
Himmel, muss das anstrengend sein, wenn man nicht vertraut.
Aber weißt du was?
Vertrauen ist auch Arbeit.
Und dann liegt da dieses Buch...
Damals hab ich Liebe, Lachen und Lernen von Steve Biddulph gelesen.
Es hat mich bestärkt, ermutigt, getragen.
Und heute?
Heute denk ich manchmal: "Okay – und wann kommt das Kapitel über 'Ironie, Augenrollen und WLAN-Ausfälle'?"
Jetzt kommt die Pubertät – und ich sag: Herzlich Willkommen, Du Pulverfass
Ich weiß, was mir blüht. Ich war selbst keine einfache Jugendliche.
Und wenn meine Kinder auch nur halb so stürmisch werden wie ich damals, dann wird das hier kein sanfter Segeltörn – sondern eine Atlantiküberquerung mit Wetterwarnung.
Aber ich sag dir was:
Ich freu mich.
Ich freu mich auf Reibung. Auf echte Gespräche. Auf neue Grenzen.
Auf emotionale Schleudergänge.
Denn das hier ist Beziehung.
Das hier ist Entwicklung.
Das hier ist Leben – in Großbuchstaben, mit Wut, Tränen und dem ersten "Mama, geh mir bitte nicht auf den Sack!"
Ich werde dann vermutlich grinsen und denken:
Yes. Da ist sie. Die Eigenständigkeit. Und ich war dabei.
Und hey, jetzt hab ich es verstanden:
Jan-Uwe Rogge hat's längst geschrieben: Nicht das Kind pubertiert – die ganze Familie pubertiert.
Juchhu! Ich freu mich auf dieses glitzernde Pulverfass an Heilenergie!
Ich steh bereit. Mit Chips, Ohrstöpseln – und Dinkelkeksen.
Dieser Beitrag ist Teil der Wegmarke: [Mutterschaft – zwischen Liebe, Last und Lebenskraft]
Zum Weiterlesen hier → Echte Wertschätzung für Teenager: 5 Wege, um auf Augenhöhe zu begleiten