Ich war das Kind, das hin- und hergeschoben wurde

10.05.2025

Und jetzt bin ich die Mutter, die den Kreislauf durchbrechen will

Kennst Du den Satz noch aus Deiner Jugend "wenn ich groß bin, mache ich alles anders"?
Er hat sich mir in die Seele gebrannt, ich habe ihn nie vergessen, 
aber wie schwer das werden würde konnte ich damals nicht mal annähernd ahnen.

Denn ich war das Kind, das nicht an einem Ort bleiben durfte.
Nicht bei einer Person. Nicht in einer klaren Geschichte.

Ich war die, die immer wieder neu anfangen musste – obwohl sie sich nach Beständigkeit sehnte.
Ich habe früh gelernt, mich anzupassen.
Früh gespürt, dass Sicherheit keine Selbstverständlichkeit ist.
Und jetzt bin ich Mutter.
Und alles kommt wieder hoch.

Ich erinnere mich nicht an alles – aber mein Körper schon

Ich war bei meiner Mutter – ganz am Anfang.
Und dann war ich weg.
Ich war bei einer Pflegemutter– viele Jahre.
Dann zurück.
Dann wieder fort.
Dann blieb ich. Aber immer mit einem halben Ohr in der Vergangenheit, mit einem Fuß in einer anderen Welt.

Ich habe mir viele Jahre nicht erlaubt, das "Bruch" zu nennen. Es war doch meine Familie. Sie haben ihr Bestes gegeben. Und das glaube ich noch immer.

Aber in mir ist etwas nie ganz geheilt.

Jeder Bruch trug Hoffnung – und dann kam das Nächste

Heute, als Mutter, frage ich mich oft:
Gab es in jeder Phase eine Chance auf Nähe, die sich nicht halten konnte?
Die Antwort tut weh – denn ja, ich glaube das.

Ich war bereit zu vertrauen, als ich klein war.
Aber ich wurde weitergegeben.
Ich lernte die Sprache und stellte Fragen – aber niemand konnte mir ehrlich antworten.
Ich kehrte zurück – aber die, zu der ich zurückkam, war mir fremd geworden.
Ich ging wieder – und wusste irgendwann nicht mehr, wohin ich eigentlich gehöre.

Und trotzdem: Ich habe überlebt. Ich habe funktioniert. Ich habe sogar geliebt.
Aber ich habe nie gelernt, dass Bindung wirklich bleibt.

Jetzt bin ich Mutter. Und alles steht auf dem Prüfstand.

Ich halte mein Kind im Arm – und plötzlich ist alles wieder da.
Nicht als Erinnerung. Sondern als körperliches Echo.

Die Angst, nicht genug zu sein. Die Scham, zu viel zu spüren.
Das leise Misstrauen, dass auch ich vielleicht irgendwann "zu viel" werde – und gehen muss.

Ich sehe mein Kind an, und ich will es anders machen. So wie ich es mir in der Jugend geschworen habe.
Aber was heißt das?
Was ist "anders", wenn man selbst kein klares Bild von "richtig" hat?

Ich lerne, dass es nicht um Perfektion geht.
Nicht um immer richtige Antworten.
Sondern um Bleiben.
Um Aushalten.
Um Ehrlichkeit, auch wenn es wehtut.

Ich schreibe das nicht, weil ich fertig bin – sondern weil ich anfange

Ich bin nicht die Mutter geworden, die immer alles weiß.
Aber ich bin eine Mutter geworden, die hinschaut.

Ich spüre die alten Brüche – und gleichzeitig wachse ich an jedem Tag, an dem ich sie nicht weitergebe.

Vielleicht kann ich nicht alles heilen, was mir gefehlt hat.
Aber ich kann da sein. Heute. Für mein Kind.
Und vielleicht ist genau das: ein Anfang.