Mist, warum wollte ich eigentlich zwei Kinder?

07.07.2025

Ich erinnere mich noch genau an diesen Moment.
Da saß ich, mit einem schlafenden Kleinkind auf dem Schoß, während mir jemand lächelnd sagte:
"Ach, ein zweites Kind ist eine Bereicherung – auch für das erste!"

Und ich, hormonell weichgekocht und noch halb im Stillnebel, dachte: Ja, stimmt!
Außerdem: Ich wollte ja nicht, dass mein Kind alleine aufwächst. Ich wollte Geschwisterliebe, gemeinsame Abenteuer, dieses "Wir gegen den Rest der Welt"-Gefühl.
Ich wollte ein Team.

Tja. Jetzt habe ich zwei Kinder.
Und gelegentlich – also an Tagen mit drei Streitmomenten vor 8:00 Uhr und exakt null Kaffee in Ruhe – frage ich mich:

👉 Warum wollte ich eigentlich zwei?

Die Sache mit der exklusiven Bindung

Mein erstes Kind und ich – wir waren ein Duo.
Nicht immer harmonisch, nicht immer synchron, aber intensiv. Wir hatten Zeit. Raum.
Wir konnten stundenlang Bücher anschauen, ohne dass jemand uns ein Glitzer-Einhorn unter die Nase hielt oder mit einer Karotte auf den Teppich trommelte.

Und jetzt?

Jetzt gibt's geteilte Aufmerksamkeit.
Jetzt gibt's Konfliktmoderation, diplomatische Wortwahl, stille Timer in meinem Kopf, wer heute wen wie oft getröstet bekommen hat – damit mein inneres Gleichheitsgericht nicht Amok läuft.

Die Bindung zur Großen ist noch da, natürlich.
Aber manchmal schmerzt es, dass sie nicht mehr das ganze Sofa füllen darf.
Dass ich nicht mehr alle ihre Gedanken hören kann, weil nebenan jemand "MAMAAAA, der hat mir die Lego-Möhre geklaut!" schreit.

Ich liebe sie. Beide. Aber...

Man darf das ja kaum sagen: Ich liebe beide Kinder – und manchmal vermisse ich mein Leben mit nur einem.
Nicht, weil das zweite Kind "zu viel" ist.
Sondern weil das erste Kind einmal alles war.

Und diese Exklusivität – die ist weg.

Zwei Kinder – ein Kreisverkehr

Mit einem Kind war es oft wie ein Spaziergang: langsam, überschaubar, mit gelegentlichen Pausen am Wegesrand.

Mit zwei Kindern ist es ein Kreisverkehr ohne Ausfahrt.
Kaum habe ich das eine Kind versorgt, ruft das andere nach Gerechtigkeit, Gesellschaft oder einem zweiten Apfel, "aber ohne braune Stellen, Mama, ja?!"

Manchmal gelingt's.
Oft nicht.
Und ich schicke dann ein heimliches Entschuldigungsgedankenpäckchen an mein erstes Kind:
"Sorry, dass du heute wieder hinten angestanden hast. Ich seh dich. Ich hab dich lieb. Auch wenn du gerade 'Nein' schreiend unter dem Tisch liegst, weil du zuerst den blauen Löffel wolltest."

Mein Fazit

Ich bereue nichts.
Also, meistens nicht.

Aber ich habe gelernt:
Mehr Kinder heißt nicht mehr Liebe. Sondern mehr Verteilung.
Und mehr Management.

Und wenn ich könnte, würde ich meinem früheren Ich einen kleinen Zettel schreiben:
"Du musst kein Team erschaffen, um wertvoll zu sein. Du bist auch als Zweier-Gespann vollständig."

Oder vielleicht auch:
"Schlaf noch ein paar Nächte drüber."

Dieser Beitrag ist Teil der Wegmarke: [Geschwister als Team] – zum Weiterlesen hier -> Geschwisterbindung stärken: Wie aus Streit Verbindung wird