Schreiben als stille Befreiung – Wenn du dich nicht mehr verdrehen lässt
Ich saß am Küchentisch.
Das Handy lag stumm vor mir. Der Tee neben mir dampfte – unberührt.
Ich wusste: Der Speicher war abgeschlossen.
Den Schlüssel hatte ich in der Manteltasche.
Meine Hände zitterten nicht mehr.
Es war das erste Mal, dass ich nicht laut geworden war.
Nicht geflüchtet. Nicht in Tränen, nicht in Erklärungen, nicht in Diskussionen.
Ich hatte einfach gesagt:
"Lass mich durch."
Und als er es nicht tat, blieb ich stehen.
Still. Atmend.
Zeugin meines eigenen Neins.
Ich schrieb, um mich selbst nicht zu verlieren
Ich öffnete die Notizen-App. Nicht, um ihn zu überzeugen. Nicht, um etwas klarzustellen.
Ich wusste plötzlich ganz genau:
Ich schreibe, um mich selbst nicht mehr zu verraten.
Ich tippte. Langsam. Wahr.
"Gestern hast du mir im Speicher den Gegenstand aus der Hand gerissen und dich zwischen mich und die Treppe gestellt. Du warst laut. Du warst nah. Ich konnte nicht mehr raus."
Ich las es. Und ich löschte es nicht.
"Ich hatte Angst. Nicht, weil du mich verletzt hast – sondern, weil du es gekonnt hättest. Und weil du wusstest, dass ich keine Chance gehabt hätte."
Ich spürte, wie mein Atem tiefer wurde.
Wie meine Stimme – die innere – wieder zurückkam.
"Ich will entscheiden, was in meinem Raum bleibt. Was ich tragen will. Was ich loslasse. Das ist mein Recht. Und dein Nein zu meinem Nein – ist Gewalt."
Ich habe die Nachricht nicht abgeschickt. Noch nicht. Vielleicht nie.
Aber ich wusste:
Wenn ich schreibe, gelingt ihm die Täter-Opfer-Umkehr nicht mehr.
Früher war es immer gleich
Ich habe meine Grenze benannt – leise, vorsichtig.
Ein Unbehagen, ein Wunsch, ein "Ich will das so nicht mehr."
Und er?
Er hat nicht widersprochen.
Er hat gedreht.
Er hat meine Worte gewendet, bis aus meiner Wahrheit seine Geschichte wurde:
-
"Du übertreibst."
-
"Du hast das falsch verstanden."
-
"Ich wollte doch nur helfen."
Und dann kam dieser Satz, der alles umdrehte:
"Wenn du so gereizt bist, liegt das an dir."
Ich wurde laut.
Nicht geplant. Nicht gewollt.
Aus Wut. Aus Ohnmacht. Aus Verzweiflung.
Und jedes Mal, wenn meine Stimme anstieg, wurde seine kühler.
Dann war ich die Hysterische.
Die Schwierige.
Die, die "ausflippt".
Und plötzlich war ich das Problem.
Er hatte mich dahin geführt.
Und ich hatte es gespürt – aber nicht erkannt.
Bis heute.
Diesmal war es anders
Ich schrieb ruhig. Ohne Wut. Nur mit Klarheit.
"Ich sehe jetzt, wie du das Gespräch steuerst, bis ich laut werde. Und wie du mein Lautwerden dann als Beweis nutzt, dass ich das Problem bin. Das wird nicht mehr funktionieren."
Ich speicherte den Text. Und schloss die App.
"Diesmal lasse ich mich nicht mehr zerreden."
"Diesmal bleibe ich bei meiner Wirklichkeit."
"Ich schreibe nicht, um zu erklären. Ich schreibe, um nicht zu vergessen."
Und ich wusste:
Das war der Anfang vom Ende.
Oder der Anfang von mir selbst.
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