Urlaube mit Ponyreiten und Love Bombing – Der Anfang einer Illusion

05.05.2025

Nachdem ich in meine neue Pflegefamilie aufgenommen worden war, schien sich mein Leben vollkommen zu wandeln. Alles war sauber, ruhig, planbar. Ich hatte mein eigenes Bett, meine eigenen Spielsachen, ein Pausenbrot im Kindergarten. Dinge, die vorher unvorstellbar gewesen waren. Ich war etwa zwei oder drei Jahre alt, als der erste gemeinsame Sommerurlaub anstand – an der Ostsee, in einem Zelt nicht weit vom Strand entfernt. Mit dabei: eine ältere Bezugsperson aus der Familie und meine große Schwester.

Ich erinnere mich an mein erstes Ponyreiten auf einem kleinen Hof am Waldrand. Das Pony hieß "Lucky", ich durfte jeden zweiten Tag reiten. Meine Pflegeperson sagte damals oft, ich hätte ein besonderes Gespür für Tiere – ich sei etwas Besonderes. Es fühlte sich an wie Familie. Wie etwas, das funktioniert.

Wir verbrachten endlose Nachmittage am Strand. Ich plantschte, buddelte, sammelte Muscheln. Es gab Decken, Obst, belegte Brote, Butterkuchen und Kaffee in der Thermoskanne. Abends Hausmannskost wie Frikadellen mit Kartoffelsalat oder Reibeplätzchen mit Apfelmus. Alles schmeckte besser als das, was ich bis dahin kannte.

Ich fühlte mich umsorgt. Gesehen. Geliebt. Und ich wollte besonders gut sein – besonders angepasst, besonders brav. Meine Pflegeperson lobte mich oft in Gegenwart der anderen. Ich sog jedes dieser Worte auf, als wäre es Wärme an einem kalten Tag. Und ich lernte schnell: Bestimmtes Verhalten brachte Anerkennung. Ich zeigte, was gewünscht war.

Inmitten dieser Tage voller Sonne, Salzluft und Familienpicknicks entstand ein Bild von Geborgenheit. Als würde ich dazugehören. Als wäre ich angekommen. Es war wie ein Film: ein hübsch eingerichtetes Zelt, Spaziergänge, Spieleabende, Geschichten erzählen.

Doch rückblickend – und das erkenne ich erst heute – war das auch der Beginn eines inneren Musters. Die Aufmerksamkeit, die ich erhielt, war groß. Vielleicht manchmal sogar zu groß. Es war viel Nähe, viel Bewunderung – fast inszeniert. Ich spürte, dass diese Zuneigung an bestimmte Dinge gebunden war: an Gehorsam, an Verhalten, an das Erfüllen von Erwartungen.

Das war mir damals nicht bewusst. Ich war einfach nur ein kleines Mädchen im dunkelblauen Badeanzug. Mit Sand in den Haaren und Sonne auf der Haut. Und mit der tiefen Hoffnung, endlich Teil von etwas Gutem zu sein.


Dieser Beitrag ist Teil der Wegmarke: [Frühe Kindheit & Herkunft]
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