Waldspaziergänge und Stockbrot – Ein Vater, der keiner war, aber hätte sein können

05.05.2025

Es gibt diese Momente in der Kindheit, die sich tief in das Gedächtnis einbrennen, weil sie etwas in einem auslösen, das über das Alltägliche hinausgeht. Für mich waren es die Waldspaziergänge mit dem Vater meiner besten Freundin in der Grundschule.

Er war nicht mein Vater, doch irgendwie fühlte es sich so an. Es gab keine großen Gesten, keine tiefen Gespräche, die einen für immer prägen – aber es waren die kleinen, einfachen Dinge, die so viel mehr bedeuteten, als ich damals ahnen konnte.

An vielen Nachmittagen machten wir uns mit meiner Freundin und oft noch einigen anderen Kindern auf den Weg in den Wald. Ich erinnere mich an den Duft des Waldbodens, das Rascheln der Blätter unter unseren Füßen und das fröhliche Plätschern von Bächen. Es war ein Ort, der eine Ruhe ausstrahlte, die in der Hektik des Lebens sonst oft fehlte.

Der Vater meiner Freundin war der Mittelpunkt dieser Ausflüge. Er brachte eine Gitarre mit, und wir saßen um das Lagerfeuer, während er ein einfaches Lied nach dem anderen spielte. Der Klang der Gitarre vermischte sich mit dem Knistern des Feuers und den leisen Geräuschen des Waldes. Für mich war er der Inbegriff von Sicherheit und Geborgenheit – der Mann, der mit Leichtigkeit eine Gruppe von Kindern anführte, der uns bei lauen Sommerabenden durch den Wald führte, als wären wir die einzigen Menschen auf der Welt.

Aber was mich damals besonders berührte, war seine Fähigkeit, uns einfach zu hören. Während die anderen sich in die Lieder vertieften oder das Stockbrot über dem Feuer drehten, schaffte er es immer wieder, uns zu ermutigen, über die kleinen Dinge zu sprechen – über die Schule, über unsere Träume und Wünsche, die manchmal noch so vage und unschuldig waren. Er war kein übermäßiger Ratgeber, aber irgendwie war da dieser schützende Raum, der einen dazu einlud, einfach man selbst zu sein.

Diese Spaziergänge, dieses einfache Stockbrotbacken und das Lagerfeuer, das für mich nie so wirklich erlosch, haben sich in meine Erinnerung eingebrannt. Sie sind nicht nur Momente, die ein Gefühl von Nostalgie und Wärme hervorrufen, sondern auch eine Erinnerung daran, was es bedeutet, für andere da zu sein, ohne viel dafür tun zu müssen. Vielleicht war er kein perfekter Vater – und vielleicht hat er das nie selbst als Ziel gesehen – aber in seiner Rolle hier am Bach im Wald war er ein stiller, aber präsenter Halt für uns Kinder.

Ich frage mich oft, warum gerade diese Erlebnisse so tief in mir verankert sind. War es die Ruhe des Waldes? Die Gitarre, die sanft in den Abendhimmel hallte? Oder war es einfach der Weg, wie dieser "Vater", der keiner war, aber hätte sein können, uns mit seinem stillen Verständnis und seiner Präsenz beschenkte?

Ich glaube, es war alles zusammen. Es war diese Mischung aus Geborgenheit, Vertrauen und dem Gefühl, dass da jemand war, der uns in dieser kleinen Welt des Waldes etwas näher an das brachte, was wir als Kinder am meisten brauchten: Zugehörigkeit, Ruhe und das Gefühl, gesehen zu werden.

Auch heute noch, wenn ich durch den Wald gehe oder mich an Lagerfeuern mit Freunden versammle, taucht diese Erinnerung immer wieder auf. Sie erinnert mich daran, wie wenig es manchmal braucht, um für jemanden eine prägende Rolle zu spielen. Ein bisschen Stockbrot, ein paar Lieder und die Bereitschaft, einfach nur da zu sein – und für einen Moment wird der Wald zu einem Ort der Geborgenheit.

Es sind diese Momente, die uns prägen. Ein bisschen wie der "Vater, der keiner war, aber hätte sein können". Und vielleicht ist genau das die wahre Bedeutung von Familie – nicht immer aus Blut, sondern aus den Momenten, die uns verbinden, aus den Erfahrungen, die uns wachsen lassen.