Weg durch Fragmente – Warum ich schreibe
Ich schreibe, weil ich irgendwann gemerkt habe, dass ich verschwunden war. Nicht mit einem lauten Knall, sondern leise. Stück für Stück. Immer dann, wenn ich zugehört habe, aber nichts sagen durfte. Immer dann, wenn ich etwas anderes fühlte, als von mir erwartet wurde. Immer dann, wenn ich spürte: Das hier bin nicht ich – aber ich bleibe trotzdem.
Ich schreibe, weil ich lange nicht wusste, wo ich anfange und wo das endet, was andere aus mir gemacht haben. Weil ich gelernt habe, Rollen zu spielen – zunächst, um zu überleben, später, um dazuzugehören. Und irgendwann, weil ich vergessen hatte, dass ich überhaupt noch eine andere Möglichkeit hatte.
Ich schreibe nicht, weil ich es besser weiß. Ich schreibe, weil ich endlich wissen will, was meins ist. Ich bin lange genug durch das Leben anderer gelaufen – durch ihre Geschichten, ihre Erwartungen, ihre Ängste. Ich habe ihre Sprache gesprochen, obwohl sie nicht meine war. Ich habe ihre Muster wiederholt, obwohl ich sie längst durchschaut hatte. Und dann habe ich mich gefragt, warum ich mich selbst nicht mehr gespürt habe.
Ich lebe heute mit einem Mann zusammen, mit dem ich Kinder habe und eine Geschichte teile, die nicht einfach ist. Ich habe oft geglaubt, ich könnte heilen, wenn ich nur stark genug, ruhig genug, vernünftig genug bin. Aber das war wieder nur ein Versuch, zu funktionieren – nicht zu fühlen. Nicht zu erinnern.
Ich schreibe, weil ich das innere Kind in mir nicht mehr zum Schweigen bringen will. Weil ich es lange genug ignoriert habe – und es mir trotzdem immer wieder die Wahrheit ins Ohr geflüstert hat. Ich schreibe, weil ich spüre, wie es sich aufrichtet, wenn ich endlich hinsehe.
Diese Texte sind keine Ratgeber. Ich will niemandem erklären, wie man "es richtig macht". Ich will nicht belehren, nicht gefallen. Ich will mich erinnern. Mich sortieren. Und manchmal einfach nur benennen, was nie ausgesprochen werden durfte.
Ich schreibe, weil ich endlich anfangen will, bei mir zu bleiben. Weil ich keinen Raum mehr öffnen will, in dem andere über mein Leben urteilen. Deshalb gibt es hier keine Kommentarfunktion – nicht aus Abwehr, sondern aus Fürsorge. Für mich.
Ich schreibe, weil das die leise Form ist, in der ich mich zurückhole. Nicht mit einem lauten Auftritt. Sondern in kleinen Sätzen, tastend, vorsichtig, ehrlich. Ich schreibe, weil ich verstehen will, wie ich gemeint war – bevor man mir sagte, wie ich zu sein hätte.
"Alle hier geschilderten Inhalte sind persönliche Erfahrungen und subjektive Erinnerungen. Namen, Orte und erkennbare Details wurden geändert oder verfremdet. Die Texte dienen der Selbstreflexion, nicht der Bewertung Dritter."
"Alle hier geschilderten Inhalte sind persönliche Erfahrungen und subjektive Erinnerungen. Namen, Orte und erkennbare Details wurden geändert oder verfremdet. Die Texte dienen der Selbstreflexion, nicht der Bewertung Dritter."
Nova Lune.