Wie ich meinen Töchtern beibringe, sich selbst zu schützen – und dabei meine eigene Geschichte neu schreibe
Es war nicht die Wut, die mich verändert hat – sondern das stille Wissen: Ich will es anders machen.
Ich bin Mutter zweier Töchter. Und mit jeder Entscheidung, mit jedem Satz, jeder Reaktion, die nicht automatisch aus meinem alten Muster kommt, schreibe ich unsere Geschichte neu.
Ich hatte eine autoritäre Kindheit. Eine Kindheit, in der Gehorsam mehr galt als Gefühl, Anpassung mehr als Integrität.
Aber ich habe überlebt. Ich habe funktioniert. Und irgendwann – vielleicht erst durch das Muttersein – habe ich begonnen zu verstehen: Ich will nicht, dass meine Kinder funktionieren. Ich will, dass sie leben. Fühlen. Und wissen: Ich darf Nein sagen, ohne dass Liebe zerbricht.
"Was brauchst du gerade?"
Dieser Satz ist in meinem Alltag wie ein Anker geworden.
Wenn eine meiner Töchter wütend wird. Wenn sie sich zurückzieht. Wenn sie widerspricht. Ich versuche nicht, sie zu korrigieren – ich versuche, sie zu verstehen.
Ich begleite sie nicht mit Strenge, sondern mit Struktur. Nicht mit Strafen, sondern mit Spiegeln.
Ich führe – aber ich höre. Ich erkläre – aber ich frage.
Und ich danke Hannah Brodersen und ihrem Buch "Dich durch mein Herz sehen", das mir so oft die Brücke gebaut hat zwischen Theorie und Gefühl, zwischen Pädagogik und echter Beziehung.
Gesunde Abgrenzung beginnt bei mir
Ich habe lange geglaubt, ich müsse zuerst alles auflösen, bevor ich meine Kinder begleiten kann. Aber heute weiß ich:
Heilung passiert im Kontakt. Und sie beginnt in mir.
Wenn ich Nein sage – freundlich, aber klar – erleben meine Töchter, dass es möglich ist, sich abzugrenzen, ohne laut zu werden.
Wenn ich ihnen zuhöre, auch wenn sie unbequem sind, erleben sie, dass sie nicht weniger liebenswert sind, wenn sie widersprechen.
Und wenn ich einen Fehler mache – was oft genug passiert – dann entschuldige ich mich.
Nicht, weil ich schwach bin. Sondern weil ich ihnen zeigen will:
Du darfst Mensch sein. Und trotzdem verbunden bleiben.
Ich sehe, wie sie wachsen
Meine Große sagt inzwischen manchmal Sätze wie:
"Ich mag das nicht – kannst du aufhören?"
Und sie meint es nicht trotzig. Sie meint es ernst.
Und ich höre sie. Und sage:
"Danke, dass du mir das sagst. Ich höre auf."
Meine Kleine verzieht sich oft still in ihr Zimmer, wenn es ihr zu viel wird.
Früher hätte ich das vielleicht persönlich genommen. Heute warte ich. Und manchmal komme ich nach einer Weile leise dazu und frage:
"Willst du, dass ich bei dir bin – oder brauchst du gerade allein sein?"
Und oft sagt sie dann:
"Nur sitzen. Nichts reden."
Und wir sitzen.
In Ruhe. In Sicherheit.
In dem Raum, den ich nie hatte – aber ihnen schenke.
Ich bin die Mutter, die bleibt – auch wenn's schwierig wird
Ich will nicht perfekt sein.
Ich will auch nicht, dass meine Kinder perfekt sind.
Ich will, dass wir wahrhaftig sind.
Dass sie spüren: Es ist sicher, du selbst zu sein.
Und wenn sie das gelernt haben – dann haben sie etwas in sich, das ihnen niemand mehr nehmen kann:
Ein Gefühl für sich selbst. Eine innere Stimme. Und das Wissen, dass sie gehört werden dürfen.
Ich schreibe diese Zeilen nicht als fertige Mutter – sondern als eine, die mitlernt, mitfühlt, mitwächst.
Für meine Töchter. Und für das Mädchen in mir, das so lange nicht wusste, dass man Nein sagen darf.
Dieser Beitrag ist Teil der Wegmarke: [Mutterschaft – zwischen Liebe, Last und Lebenskraft]
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